tiergesundheitsdienst bayern e.V.

Kompe­tenz und Erfah­rung in Tier­gesund­heit und Lebens­mittel­sicher­heit

Schonendes Veröden der Hornanlage beim Kalb

 

Unfälle durch Hornstöße in den letzten 10 Jahren (LFBG Niederbayern / Oberpfalz und Schwaben)

Hornlose Rinder – sicheres Arbeiten –tierfreundliche Haltung

Hornlosigkeit hat in der modernen Rinderhaltung eine große Bedeutung. Tierfreundliche Laufställe bieten Färsen, Bullen und Kühen Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit, sich artgerecht zu verhalten. Das bedeutet aber auch eine größere Verletzungsgefahr für die Bäuerinnen und Bauern. Ernste Verletzungen durch Hornstöße sind nicht selten und haben weitreichende Folgen.

Der Tiergesundheitsdienst befürwortet eine praktikable Methode des Veröden der Hornanlage bei jungen Kälbern, die weitgehend schmerz- und stressfrei durchgeführt werden kann.

Unfälle in der Rinderhaltung

Hornstöße von Kühen und Bullen verursachen die meisten Unfälle. Konsequente Kälberenthornung verringerte die Zahl der Arbeitsunfälle von über 300 (1991) auf unter 100 im Jahre 2011. Es werden vor allem der Kopf und die Brustregion verletzt. Alle zwei Jahre führt ein Unfall zum Verlust eines Auges. Alle 4 Jahre ist ein Unfall tödlich. Das sind die Zahlen der land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft nur für die Regierungsbezirke Niederbayern, Oberpfalz und Schwaben! Anderswo ist die Gefährdung der Arbeitssicherheit sicherlich ähnlich hoch.

Zucht auf Hornlosigkeit hat Zukunft

Bayern fördert seit Jahren die Zucht auf natürliche Hornlosigkeit, um den Rindern die Enthornung zu ersparen. Trotz des erzielten, züchterischen Fortschritts, der durch die genomische Selektion beschleunigt wird, ist es noch ein weiter Weg für einen rasseweiten Erfolg. Ein massenweiser Einsatz der wenigen Merkmalsträger würde noch die Gefahr der Verbreitung unerwünschter Merkmale und der Inzuchtdepression bedeuten. Das muss bei allem züchterischen Engagement beachtet werden.

Die Hornanlage durch geringstmöglichen Eingriff entfernen!

Bereits wenige Tage nach der Geburt sind die erbsengroßen Hornknospen am Kopf des Kalbes tastbar. Sie können in den ersten 2 Lebenswochen entfernt werden. Damit ist gewährleistet, dass die Kälber noch einen ausreichenden Schutz durch die Antikörper, die mit der Biestmilch aufgenommen wurden, besitzen.
Die Kälber erhalten 10-15 Minuten vor dem Eingriff – möglichst durch eine vertraute Person – ein Beruhigungs- und ein Schmerzmittel. Nach Wirkungseintritt wird der Bereich um beide Hornanlagen geschoren, damit die Hornknospe sichtbar wird.

 

Hornanlage am 4. Lebenstag

 

Schlafendes Kalb ca. 1 Stunde nach dem Veröden

Beim Veröden der Hornanlage wird mit einem geeigneten Enthornungsgerät (Akkugeräte, Gasbrenner, netzbetriebener Brennstab) ein vollständiger Ring um die Hornknospe gebrannt, um die Blutzufuhr zu unterbrechen. Das Kalb muss gut gehalten werden, um den kleinen Ring von 15 mm Durchmesser genau zu platzieren.

Durch die Hitze sind die Nerven und Blutgefäße zerstört, die die Hornanlage versorgen. Die fehlende Nährstoffzufuhr führt zum Abstoßen der Hornanlage in den nächsten Tagen.

 

Deutliche Ringbildung nach dem Veröden der Hornanlage

 

Schlafendes Kalb ca. 1 Stunde nach dem Veröden

Die vollständige Durchtrennung aller Gewebsschichten muss kontrolliert und gewährleistet werden, da es sonst zum nachwachsen von Krüppelhörnern oder Hörnern kommen kann. Die verödete Stelle wird zum Schutz vor Infektionen mit Wundspray kurz besprüht.

Die Kälber schlafen in den nächsten 1-1,5 Stunden.

Nachteilige Effekte auf die Tränkeaufnahme, das Verhalten und die weiteren Entwicklung der Kälber wurden nicht beobachtet.

Wichtige zu beachtende Punkte bei der Durchführung:

  • Nur gesunde Kälber veröden
  • Keine gestressten Kälber sedieren, da es sonst zu einem verzögerten Wirkungseintritt kommen kann
  • Ausreichend Abstand zu den Mahlzeiten halten (1-2 Stunden)
  • Fressgitter oder ähnliche Öffnungen schließen (Erdrosselungsgefahr)
  • Bei kalten Außentemperaturen benötigen die Geräte eine längere Aufheizphase
  • Unverhältnismäßig starke Krafteinwirkung sowie langes Brennen vermeiden, da sonst tiefer liegendes Gewebe geschädigt wird (Knochen, Gehirn)
  • Nach dem Veröden vor Witterungseinflüssen (Regen, Kälte, Sonne) schützen

Vorteile der minimalinvasiven Methode:

  • Weniger Stress durch den kleineren Eingriff, die kürzere Dauer des Enthornens, den geringeren Aufwand für die Fixation und das Beruhigungsmittel.
  • Weniger Schmerzen für Kälber durch eine moderne Schmerzvermeidung durch Verwendung eines Schmerzmittels vor dem Eingriff.
  • Weniger Stress für das Betriebspersonal durch die geringeren Abwehrbewegungen des Kalbes.
  • Von Personen durchführbar, die dem Kalb vertraut sind.
Datum: 30.12.2016 - Autor: Rindergesundheitsdienst