tiergesundheitsdienst bayern e.V.

Kompe­tenz und Erfah­rung in Tier­gesund­heit und Lebens­mittel­sicher­heit

Kälbergesundheit

Der Rindergesundheitsdienst hilft bei der Untersuchung und Aufklärung von Problemen mit der Kälbergesundheit. Dies erfolgt im Rahmen von vom Freistaat Bayern und der Bayerischen Tierseuchenkasse geförderten Projekten zur Verbesserung der Tiergesundheit in bayerischen Rinderhaltungen. Kontaktieren Sie entweder den Rindergesundheitsdienst in Grub oder Ihre regionale TGD Geschäftsstelle.


 

Merkblatt_Kälberdurchfall.pdf

Merkblatt Kolostrumversorgung

Warum ist Biestmilch (Kolostrum) so wichtig?

Im Gegensatz zum Menschen können bei der Kuh während der Trächtigkeit keine Abwehrstoffe gegen Infektionskrankheiten über das Blut auf das Kalb übergehen. Das bedeutet, dass das Kalb dem Keimdruck der Umgebung unmittelbar nach der Geburt zunächst schutzlos ausgesetzt ist. Die Aufnahme der Abwehrstoffe (auch Antikörper oder Immunglobuline genannt), die das Kalb schützen können, kann nur aus der Biestmilch erfolgen. Aber auch die herausragende Rolle der Biestmilch als erste Nahrung für das Kalb darf nicht unterschätzt werden. Biestmilch enthält nicht nur die vierfache Menge an Eiweiß im Vergleich zu normaler Milch, sondern auch die doppelte Menge an Fett. Da Kälber nahezu ohne Fett- und Energiereserven geboren werden, ist auch aus diesem Grund die frühzeitige Aufnahme von Biestmilch außerordentlich wichtig. Außerdem sind die Gehalte an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen sehr hoch, und es sind Faktoren enthalten, die das Wachstum fördern. Es hat sich gezeigt, dass Kälber mit guter Biestmilchaufnahme schneller wachsen, ohne dass dies durch verringerte Krankheitsanfälligkeit erklärt werden konnte.

Die Verabreichung von Biestmilch unmittelbar nach der Geburt des Kalbes ist aus mehreren Gründen essentiell. Bei den Immunglobulinen handelt es sich um große Eiweißmoleküle. Die Durchlässigkeit der Darmwand für diese großen Eiweiße nimmt beginnend von der zweiten Stunde nach der Geburt des Kalbes rasch ab. Nach 24 Stunden können keine Immunglobuline mehr aus dem Darm ins Blut gelangen. Auch beginnt das Kalb in der gleichen Zeit mit der Produktion von Verdauungsenzymen. Auf der anderen Seite ist das Kalb vom Eintritt in den Geburtskanal von Infektionserregern bedroht, so dass der frühzeitigen Versorgung mit Biestmilch auch aus diesem Grunde eine herausragende Bedeutung zukommt.

Es ist auch bekannt, dass ein hoher Bakteriengehalt in der Biestmilch nicht nur das Risiko der Krankheitsübertragung erhöht, sondern sich auch negativ auf die Aufnahme der Antikörper ins Blut auswirkt. Es ist daher notwendig auch bei der Gewinnung und Vertränkung der Biestmilch höchste Anforderungen an die Hygiene zu stellen. Da Biestmilch allerdings nie steril gewonnen werden kann und einen guten Nährboden für Bakterien darstellt, sollte überschüssige Biestmilch nach sofortiger Abkühlung nicht länger als einen Tag im Kühlschrank aufbewahrt werden. Die Pasteurisierung von Kolostrum ist möglich, muss jedoch schonender als die Pasteurisierung normaler Milch erfolgen (60°C für 60 Min.).

Obwohl Biestmilch wesentlich mehr wichtige Inhaltsstoffe enthält, wird die Qualität traditionell anhand des Gehaltes an Immunglobulinen definiert. Die ersten Berichte über unzureichende Immunglobulingehalte stammen bereits aus dem letzten Jahrhundert von amerikanischen Hochleistungskühen. Bislang liegen zur Biestmilchqualität bei bayerischen Milchkühen keine Untersuchungen vor. Es ist allerdings davon auszugehen, dass auch hier die Biestmilchqualität mit der Zunahme der durchschnittlichen Milchleistung abgenommen hat. Außerdem muss bei Milchkühen auch beachtet werden, dass nur das erste Gemelk eine Qualität aufweist, die für die Erstversorgung des Kalbes geeignet ist. Zudem werden die Antikörper im Euter nach der Kalbung rasch verdünnt, so dass die bestmögliche Qualität nur zu erreichen ist wenn die Kuh möglichst rasch nach der Kalbung gemolken wird. Die Überprüfung des Antikörpergehaltes ist einfach und kostengünstig mit Hilfe eines Brix Refraktometers möglich. Hierbei kann bei Werten von mehr als 22 Brix % von guter Biestmilchqualität ausgegangen werden.

Das Belassen des Kalbes bei der Kuh führt in aller Regel nicht zu einer ausreichenden Kolostrumversorgung und birgt zudem ein erhöhtes Infektionsrisiko für das Kalb. Daher sollte das Kalb nach der Geburt zügig in eine saubere Einzelbox oder ein Iglu verbracht und von Hand gefüttert werden.

Es sollte darauf gezielt werden, dass jedes Kalb innerhalb der ersten zwei Lebensstunden möglichst drei Liter Biestmilch guter Qualität aufnimmt. Wenn das Kalb das Kolostrum nicht freiwillig aus dem Nuckeleimer oder der Nuckelflasche trinkt, sollte es mit einer Schlundsonde verabreicht werden. Die zweite Tränke sollte nach etwa 6, aber auf alle Fälle weniger als 12 Stunden möglichst nochmal mit Biestmilch erfolgen. Obwohl nach 24 Stunden keine Immunglobuline mehr über den Darm ins Blut aufgenommen werden, können diese dennoch lokal im Darm eine schützende Wirkung entfalten. Daher kann es vor allem in Beständen mit Durchfallproblemen helfen, wenn in den ersten 10 Lebenstagen einmal am Tag ein halber bis ein Liter Biestmilch zugefüttert werden. Auf diese Weise kann auch die Wirkung einer etwaig verabreichten Muttertierimpfung optimal ausgenutzt werden. Zu diesem Zweck und für Notfälle kann Biestmilch guter Qualität in kleinen Portionen eingefroren werden. Hierfür können handelsübliche Tiefkühlbeutel hergenommen werden, da diese für das Auftauen im Wasserbad eine große Oberfläche bieten. Die Biestmilch darf unter keinen Umständen über 60°C erhitzt werden, da sonst die Antikörper zerstört werden.

Bei Kühen mit sehr kurzer Trockenstehzeit (weniger als 3 Wochen) oder solchen, die vor der Kalbung die Milch haben laufen lassen muss von unzureichender Kolostrumqualität ausgegangen werden. Prinzipiell sollte nur Kolostrum von gesunden Kühen verfüttert werden.

Wenn in einem Bestand Zweifel an der Biestmilchversorgung bestehen, kann diese vom Tierarzt anhand von Blutproben leicht überprüft werden. Hierzu werden Proben von 6 bis 12 Kälbern zwischen dem zweiten und den zehnten Lebenstag auf ihren Gesamteiweißgehalt überprüft. Wenn dabei mindestens 80 % der Kälber einen Gesamteiweißgehalt von über 58 g/l ausweisen, kann von gutem Kolostrummanagement ausgegangen werden.

 

Die Kolostrumqualität kann mittels Brix Rekraktometer einfach und kostengünstig untersucht werden

Merkblatt Kälberdurchfall

Kälberdurchfall – Ursachen, Folgen, Behandlung und Vorbeugung

Kälberdurchfall (Kälberdiarrhö, Neugeborenendurchfall) ist bei Weitem die häufigste und verlustreichste Erkrankung von Kälbern in den ersten Lebenswochen. Es handelt sich dabei um eine klassische Faktorenkrankheit (ähnlich der Rindergrippe), was bedeutet, dass neben Infektionserregern auch immer Umgebungs- und Managementfaktoren an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind.

Infektiöse Ursachen von Kälberdurchfall

Die wichtigsten Erreger von Neugeborenendurchfall sind Viren (Rotavirus, Coronavirus) und einzellige Darmparasiten (Kryptosporidien). In seltenen Fällen und nur bei Kälbern in den ersten fünf Lebenstagen können darmkrankmachende E. coli (Bakterien) zu Durchfall führen.

Nicht-infektiöse Ursachen von Kälberdurchfall

Diese Faktoren können unterteilt werden in solche, die die Abwehr des Kalbes schwächen und solche die den Infektionsdruck erhöhen.

Folgeerscheinungen der Durchfallerkrankung

Die häufigsten Erreger des Neugeborenendurchfalls (Kryptosporidien, Rotaviren, Coronaviren) schädigen die Darmschleimhaut, was dazu führt, dass Wasser und Mineralstoffe nicht mehr wie normal aus dem Darm ins Blut aufgenommen werden können. Das bedeutet, dass die Kälber so lange Durchfall haben, wie es dauert bis die Darmschleimhaut ausheilt. Es gibt keine Medikamente, die diese Heilung beschleunigen können.

Behandlung von Neugeborenendurchfall

Die wichtigste Therapiemaßnahme bei Kälberdurchfall besteht darin, die Verluste, die das Kalb über den Durchfallkot erleidet, zu ersetzen. Bei durchschnittlich starkem Durchfall kann man davon ausgehen, dass am Tag etwa 4 bis 5 Liter an Flüssigkeit mit den darin gelösten Elektrolyten verloren gehen. Dazu kommt ein normaler Flüssigkeitsbedarf von etwa 4 Litern, den auch ein gesundes Kalb hat. Das bedeutet, dass ein Durchfallkalb am Tag 8 bis 10 Liter Flüssigkeit aufnehmen muss um nicht auszutrocknen. Etwa die Hälfte davon sollte den Kälbern in Form einer Elektrolyttränke guter Qualität verabreicht werden.

Was ist eine gute Elektrolyttränke?

  • Die einzigen nötigen Inhaltsstoffe sind Natrium (in der Regel in Form von Kochsalz), Kalium, Glukose und Puffersubstanzen
  • Glukose muss enthalten sein, damit Natrium vom Darm ins Blut transportiert werden kann. Der Energiegehalt ist für die Qualität einer Elektrolyttränke unwesentlich.
  • Kälber mit Durchfall neigen stärker zur Blutübersäuerung als menschliche Säuglinge. Aus diesem Grund ist der Gehalt an Puffersubstanzen in manchen Elektrolyttränken unzureichend. Eine Einschätzung der Pufferkapazität ist durch die Berechnung der sogenannten Starke Ionen Differenz (SID) möglich: SID = Na+ in mmol/l + K+ in mmol/l – Cl- in mmol/l. Die SID sollte um die 80 mmol/l betragen.

 

Die häufigsten Durchfallerreger schädigen die Darmschleimhaut

Elektrolyttränken haben einen niedrigen Energiegehalt und können den Nährstoffbedarf der Kälber nicht annähernd decken. Es ist daher für die rasche Erholung des Kalbes wichtig, dass es weiterhin mit ausreichenden Mengen Milch getränkt wird. Der früher empfohlene Milchentzug führt dazu, dass die Kälber rasch abmagern und ihre Abwehrkräfte zusätzlich geschwächt werden. Auch weiß man mittlerweile, dass die Nährstoffe in der Milch bei der Heilung der Darmschleimhaut helfen.

Idealerweise werden ein bis zwei Liter der Elektrolyttränke zwischen den Milchmahlzeiten verabreicht. In jüngerer Zeit werden auch Systeme propagiert bei denen die Elektrolyte in Milch verabreicht werden. Dies kann nur dann gefahrlos funktionieren, wenn die Kälber von den ersten Lebenstagen an freien Zugang zu Wasser haben. Steht den Kälbern kein Wasser zu Verfügung kann durch die Verfütterung von Elektrolyten in Milch eine lebensgefährliche Kochsalzvergiftung ausgelöst werden.
Die Flüssigkeits-Elektrolyttherapie muss frühzeitig mit dem Auftreten des Durchfalls einsetzen und solange fortgeführt werden wie Durchfall besteht.

Wann sollte der Tierarzt gerufen werden?

Wenn das Kalb sehr müde oder matt ist und nicht mehr trinkt, oder wenn die Augen beginnen einzusinken, ist es unwahrscheinlich, dass es nur mir Elektrolyttränken wieder auf die Beine kommt. In diesem Fall kann der Tierarzt zusätzlich gezielt durch Infusionen Flüssigkeit, Elektrolyte und Puffersubstanzen zuführen. Eine Behandlung mit einem Schmerzmittel kann ebenfalls helfen das Allgemeinbefinden zu verbessern. Der Tierarzt wird auch entscheiden, ob eine antibiotische Behandlung angezeigt ist. Da die häufigsten Durchfallerreger Parasiten und Viren sind, ist eine antibiotische Behandlung von unkomplizierten Durchfallerkrankungen nicht sinnvoll und würde nur zur verstärkten Entwicklung resistenter Bakterien beitragen. Bei Durchfallkälbern mit schweren Allgemeinstörungen steigt allerdings eine Gefahr des Übertretens von Bakterien ins Blut (Blutvergiftung), so dass hier die Verabreichung eines Antibiotikums ratsam sein kann.

Datum: 07.12.2016 - Autor: Dr. I. Lorenz